Grüne des Landkreises Dachau diskutieren Asyl und Rechtsstaat

Asylrecht in Bayern in der Krise

Über zwei Stunden kommen am Mittwoch den 4.3.2020 die Grünen aus den Ortsverbänden des Landkreises mit Landratskandidat Achim Liebl, Sabrina Spallek, Bürgermeisterkandidatin für Haimhausen und Hubertus Schulz, Bürgermeisterkandidat für Markt Indersdorf, sowie der Asylhelferkreis Bergkirchen im Gasthof Groß zusammen. Die Referenten Joachim Jacob (Vorsitzender von UnserVeto) und Stephan Theo Reichel (Kurator und Geschäftsführer von matteo – Kirche und Asyl e.V.) informieren die Zuhörer über ihre langjährige Arbeit.

Die Grünen sind die einzige Partei im Landkreis, die das Thema Asyl im Kommunalwahlkampf offen angeht, so Joachim Jacob zu Beginn seines Vortrags. Etwa 1000 Flüchtlinge sind auf die Gemeinden verteilt. Die Zahl ist vergleichbar mit dem Nachbarlandkreis Erding, doch Dachau ermöglicht um ein Vielfaches mehr Ausbildungsduldungen. Der Landkreis fördert somit nicht nur die Integration in Schulen und Betrieben, sondern ermöglicht seinen Handwerksbetrieben zugleich, dringend benötigte Auszubildende einzustellen. Dachau ist hier vielen anderen bayerischen Landkreisen weit voraus. Noch!

Problematische neue Gesetze und Direktiven von Bund und Land tragen dazu bei, dass im März 2018 mit UnserVeto ein Verband bayrischer Helferkreise entsteht, dem sich auch die Dachauer anschließen. Mit nun 2000 Mitglieder können die seit einigen Jahren abgehaltenen Asylgipfel der ehrenamtlich Tätigen in den bayrischen Regionen besser koordiniert werden. Präsenz und Organisationsgrad der bayerischen Ehrenamtlichen ist Zeichen des Versagens der Staatsregierung, die statt konstruktiver Asylpolitik mit dem Errichten von Ankerzentren massive neue Probleme verursacht. Seit November 2018 legt UnserVeto einen eigenen Masterplan vor, in dem die Forderungen der Helferkreise gesammelt und abgestimmt sind. Ziel ist eine menschenwürdige und geordnete Asylpolitik.

Der Erfolg bleibt bisher aus. Weder will der Freistaat bei den intransparenten Abläufen seiner Behörden wie den Ausländerämtern Abhilfe schaffen, noch lässt er sich davon abbringen, immer restriktivere Vorgaben zu konstruieren. Es wird klar, dass Landratsämter völlig unterschiedlich agieren können, der Zufall entscheidet, was Asylbewerber in Bayern erwartet. Und je größer die Vorurteile gegenüber Migranten bei den Dienststellenleitern werden, umso mehr werden ökonomische Grundregeln missachtet. Die finanziellen Folgen tragen andere.

Stephan Reichel betont im zweiten Vortrag nach einem Überblick über die Wurzeln des Asylrechts die Rolle des Rechtsstaats, der in Deutschland zwar allgemein auf sehr hohem Niveau ist, in Sachen Asyl aber komplett versagt. Reichel verweist auf das überforderte Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, deren damaliger Chef Innenminister Thomas de Maizière 2016 angewiesen hat, die Anerkennungsquote für Afghanen zu halbieren. Dieses Vorgehen führt nach wie vor zu hanebüchenen Asylbescheiden, deren massenhafte Überprüfung und Korrektur die Arbeitsgerichte nach wie vor überfordert. Kein anderes Bundesamt kann sich solche Fehler leisten.

Wie sein Vorredner geißelt auch Stephan Reichel die Ankerzentren. Flüchtlinge verlassen diese demotiviert, teils gebrochen. Anders als früher werden Asylbewerber in den Ankerzentren nur wenige Tage nach ihrer Ankunft befragt. Menschen, die noch von der Flucht gezeichnet sind, sitzen Beamten gegenüber, die sie gezielt in Widersprüche verwickeln, um sie als unglaubwürdig zu kennzeichnen. Und wenn dies nicht möglich ist, wird die Mär von den sicheren Fluchtgebieten in den jeweiligen Herkunftsländern aufgetischt. Eine Beratung dieser Asylbewerber, wie es früher durch unabhängige Stellen geschehen ist, wird soweit möglich unterbunden. Trotz dieser Methoden wird der oft propagierte eigentliche Zweck, Verfahren zu beschleunigen, verfehlt.

Weiter geht man davon aus, dass der Betrieb der Ankerzentren doppelt so teuer ist, als wenn man die Asylbewerber nach der Erstaufnahme dezentral unterbringt. Dies hängt auch mit den Auftragsvergaben für Security und Catering an private Firmen zusammen. Dass es Flüchtlingen nicht gestattet wird für sich selbst zu kochen, ist eben teuer. Dass schlecht ausgebildete Sicherheitsleute Menschen, Männer, Frauen, Kinder dichtgedrängt in einer möglicherweise von Stacheldraht umzäunten Unterkunft bewachen, wünscht man sich in Deutschland eigentlich nicht mehr. Nötigungen und Straftaten von Seiten der Security sind bekannt. Öffentlichkeit ist in Ankerzentren, wenn überhaupt, nur in Begleitung und nach Anmeldung zugelassen.

Auf eine Unverletzlichkeit der Unterkunft können geflüchtete Menschen nirgends hoffen. Eigentlich Grundrecht im heutigen Deutschland, gilt das für Asylbewerber nicht mehr. Entsprechend unschön sind Besuche der Polizei ohne Anlass. Die Anwohner wissen nicht, was passiert, ob jemand zur Abschiebung verhaftet wird oder einfach nur Papiere kontrolliert werden. Dass Flüchtlinge traumatisch belastet sein können, stört hier nicht. Um deutlich zu sein, die Polizistinnen und Polizisten stört das schon, aber deren Vorgesetzte nicht.

Es stört auch nicht, dass Abschiebeflüge nach Afghanistan jeweils 330000€ kosten. Die Überstunden der Begleitleute, meist Polizisten, nicht mitgerechnet. Es passiert einmal im Monat, dass sich die Staatsregierung ihre Inszenierung eines hart handelnden Rechtsstaates erkauft. Der Bund der Steuerzahler ist von diesem Gebaren durchaus unterrichtet, lässt sich dies aber in keiner Stellungnahme anmerken. Die Frage nach dem ‚Warum‚ bleibt nicht offen. Der Glaube Wähler vom rechten Rand zurückzuholen, scheint gerade beim bayrischen Innenminister besonders stark zu sein.

In der Diskussion erzählt Stephan Reichel von dramatischen und traurigen Beispielen aus seinem Umfeld, über Rückholaktionen aus Kabul, mit denen Handwerksbetriebe ihre Mitarbeiter wieder zurückhaben wollen. Er berichtet von Flugreisen nach Neu Delhi, um Visa für Ausbildungen in Bayern zu erhalten. Es sind verzweifelte Aktionen gegen die Ideologie einer Partei, die den Spurwechsel vom Asylantrag zur Migration strikt verweigert. Der Pull-Faktor, der in der CSU so gefürchtet ist und vor dem ihre Parteifunktionäre immerzu Angst machen, ist wissenschaftlich widerlegt. Man muss den neuen Asylbewerbern lange erklären, warum sie Geld bekommen, ohne zu arbeiten. Die meist vorgetragene Bitte ist, dass sie für ihren Lebensunterhalt selbst arbeiten wollen.

Mindestens eine Botschaft geben Joachim Jacob und Stephan Reichel den Kommunalpolitikern mit auf dem Weg. Man darf nicht aufhören mit den allen Leuten zu diskutieren. Jedoch ergeht auch die ausdrückliche Warnung vor rechtspopulistischen Funktionären, die noch schlimmer sind als man vermuten könnte. Und man soll die Asylbewerber vor Ort selbst kennenlernen, nur so kann man Vorverurteilungen und böswillige Gerüchte aufbrechen. Der Asylhelferkreis Bergkirchen weiß von was gesprochen wird. Die Grünen des Landkreises nun auch.

Links:

www.unserveto-bayern.de

www.matteo-asyl.de

www.gruene-dachau.de