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Gründonnerstagung im Lindenkeller in Freising am 28.März 2024

Ich muss vorausschicken, diese Woche bin ich ein verwöhntes Publikum. Am Dienstag war ich in Michael Mittermeiers Lucky Punch in München. In der ersten Reihe hatte ich unverhofft das Vergnügen Olaf Schubert und Torsten Sträter unmittelbar zu erleben. Heute in Freising steht ‚nur’ das Singspiel auf dem Programm, es soll aber berühmt sein.

Die liebe Sandra hat mich eingeladen, sie ist dort Sprecherin der Grünen in Freising. Wir kennen uns aus der LAG Integration Flucht Migration, die nach einem Jahr zu einer zweiten Grünen Heimat für mich geworden ist.

Am Bahnhof Dachau treffe ich Raluca, die mich begleitet. Sie hilft mir aus der Patsche, die neuen Fahrkartenautomaten sind anscheinend noch in der Testphase. Die Streifenkarte kann ich auch bei ihr kaufen. Es ist mehr als Klasse mit Raluca unterwegs zu sein. Alle Verbindungen die bei Bus, S-Bahn und Regionalbahn nicht klappen, überbrücken wir mit sehr anspruchsvoller Unterhaltung. Dachau, Freising und zurück ist an diesem Tag kein Problem, aber der Fahrplan ist nur wie eine Menükarte, bei dem viele Gerichte in der Küche gerade aus sind.

In Freising am Bahnhof stößt Jürgen zu uns, sein Studienfeld ist die Gentechnik. Im Laufe des Abend ist er aufmerksamer Beobachter und treffsicherer Analyst. Er ist ein Gewinn für die Grünen Pasing mit wienerischem Akzent. Der Weg zum Lindenkeller ist nicht weit, den richtigen Eingang ein Stück nach oben finden wir allein schon wegen der Leute, die das gleiche Ziel haben.

Am Eingang kommen wir mit den Bürgermeister von Neufahrn ins Gespräch. Wundert nicht, denn der hat ja auch was mit Claudia Bosse zu tun. Bekannt über das Gribs Kommunalbüro. Sie ist auch hier. Und ansonsten sehr sehr viele Leute, der Lindenkeller ist jetzt schon voll. Wie erhebend ist es, dass man um reservierte Plätze weiß. Und wie schön, dass ich von Bettina Markl, Sprecherin aus Pfaffenhofen/Ilm, begrüßt werde, die eine Reihe vor uns sitzt.

Vorstellung der anwesenden Politprominenz

Ich komme nicht umhin vom selbst gemachten Apfelmost zu erzählen, den Raluca in ihrem Korb für mich mitgebracht hat. Ein köstliches, erfrischendes Getränk mit einer dezenten Note Alkohol. So oder so die Rede von Johannes Becher, noch mit Bart, begeistert. Leider ist Politik nicht nur eine ernste Sache, sondern eine gefährliche Gemengelage geworden. Er empört sich zurecht, zählt auf was sich in nur einem Jahr an nicht möglich gehaltenen Dingen ereignet hat. Seine unterhaltsame, charakterstarke Art kann die Ungeheuerlichkeiten nicht abmildern, zum Lachen ist einem nicht. Was an Rechtsextremisten, die offen den Nationalsozialisten von damals huldigen, ins Parlament gewählt wird, wird mit samt deren Angestellten auch vom Staat finanziert. Johannes skizziert die Zusammenhänge eindrücklich. Aber man will ihm folgen, weil er so Recht hat und weil er so eindringlich wirbt sich den Brandstiftern in den Weg zu stellen. (Zeitgleich werden die Geldströme aus Moskau auf Konten russlandfreundlicher Politiker bekannt. Voice of Europe)

Mit großen Applaus wird Johannes Becher vom Rednerpult verabschiedet und Leon Eckert angesagt. Dessen Redestil ist etwas heiterer, er beginnt seine Rede zweimal, erst freundlich, dann wegen des bayrischen Anti-Gender-Gebots mit ‚Hallo Männer‘. Aber auch bei ihm ist klar, dass der Grüne Kurs deutlich und kraftvoll gehalten wird. Er spricht über die Dinge, die man in der Regierung erreicht hat. Mit dabei als MdB ist er bei der Einstellung des innerdeutschen Flugpostverkehrs. Andie Wörle hält als Kandidatin ihre europapolitische Rede, mit ähnlichem Inhalt wie vor einigen Wochen in Dachau. Stellenweise rhetorisch bemüht und wie Jürgen anmerkte, eher unkonkret, aber ich finde gute Gedanken dabei. Ein Lob auf die Europäische Union, unbestritten richtig und deswegen immer wieder mit zustimmendem Applaus bedacht. Mir hat das klare Bekenntnis zur Ukraine Bestätigung gegeben.

Raluca und Stefan im vorherrschendem Grünlicht.

Die Grüne Suppe teilt die politischen Reden vom Höhepunkt des Abends vom Singspiel. Ausgeteilt wird sie oben in der Eingangshalle, schmeckt und ist gesund. Bei der Gelegenheit treffe ich auch Helga, die ich zu ihren Eindrücken zu lokalem internem parteipolitischem Geschehen befrage. Das muss auch mal sein, sie wird es mir nicht nachtragen. Thomas von Sarnowski, vorhin als Alt-Landesvorsitzender begrüßt, so alt ist er ja aber nicht, kennt mich auch noch. So einfach ist es weiter gar nicht, sich unter das Volk zu mischen. Aus Dachau sind nur wir vor Ort, Münchner erkenne ich keine weiteren, aber große Anerkennung wie viele Leute an der Veranstaltung teilnehmen.

Erkennen tu ich aber die Leute im Singspiel mit dem es unten im Keller nun weiter geht. „Die Goldenen Zwanziger“, so sind die Anleihen genannt ans letzte Jahrhundert genannt, aber auch an dieses. Es beginnt nun wieder mit einem Stifter, Vorname Brand, die erste Strophe des Deutschlandliedes trällernd. Schauspielerische Leistung hervorragend, leider auch gruselig. Es ist so wie er in seiner Rolle als Barkeeper sagt, die Wahrheit ist seine beste Tarnung, die Wahrheit glaubt ja in unseren Zeiten keiner. Er hält zwei Flaschen Brandbeschleuniger für einen Anschlag vor. Die Geschichte spielt in Brüssel, die EU feiert in einem ihrer großen Repräsentanzen, die Uschi (von der Leyen) wird vom Hausmeister sehnsüchtig erwartet.

Dann großer Auftritt von ‚ich bin ein Menschenfreund‘ Hubsi Aiwanger mit Megaphon. Und ich kann es gar nicht glauben, derjenige der exakt so lautmalerisch spricht wie der echte stellvertretende Ministerpräsident, ist Johannes Becher ohne Bart. Die Texte, die er vorträgt, kommen mir so bekannt vor, dass sie tatsächlich alle so gesagt sein könnten. In ihrer Absurdität und ihrer Banalität kann das einer alleine gar nicht stemmen. Da braucht es mindestens einen Bruder, der immer aushilft, wenn es mit dem ‚Demokratie zurück holen‘ zu viel wird. ‚Make The Farmer Great Again‘ heißt es anfangs noch, wenn die Rolle des BBV sehr sehr authentisch dargestellt wird. Mit dabei auch die Verkörperung von Katha Schulze, die Aiwanger Paroli bietet und das Feld einfach nicht räumt. Etwas sentimental gerät der Auftritt des Friedensaktivisten, dem nun als Opa die Abschiebung ins Heim droht. Die Welt versteht ihn nicht mehr und er die Welt nicht mehr. Zurück zu den Bauern ändern sich die Zeichen, auf dem Käppi liest man nun ABL, das Kürzel des anderen Bauernverbandes. Denn so ganz grün ist man sich mit den angeblichen Lobbyisten doch nicht, und so ganz ungrün ist man sich mit den Grünen auch nicht. Während Aiwanger nicht weiß, was er an der EU finden soll, außer bedingt die Beendigung der Erbfeindschaft mit Frankreich, wissen zumindest die Bauern, dass sie ohne Subventionen aus Brüssel nicht überleben können.

Das Lied, das Jojo in der Rolle des Hubsi singt, muss man sich nochmal in der Aufzeichnung ansehen. Es wird vermutlich auf YouTube veröffentlicht. Ich bin beeindruckt von der künstlerischen Darbietung, da hebt er das Singspiel auf das höchste Niveau. Die Leistung des ganzen Ensembles ist herausragend, das will ich hier ganz klar zu Protokoll geben.

Hier aber noch die Pointe nachgereicht. Der Brandstifter verleitet Aiwanger dazu die Brandschutztür unter dem Dach nur einen kleinen Spalt zu öffnen, um freien Weg für seinen Brandanschlag zu haben. ‚Der Hut soll ihnen brennen, damit sie endlich mal aufwachen.‘ So stellt er sich die abgehobene Elite vor, entfremdet vom Volk. Nur, er wird erwischt, der Hausmeister bekommt Lob von Uschi. Die Uschi beteuert wie gut alles gelaufen ist und der Hubsi redet sich heraus, was er alles nicht wissen könnte und er doch für nichts eine Verantwortung trage.

Verbeugung vor begeistertem Publikum

Die Aufführung ist ganz großes Kino. Showdown mit einem gemeinsamen Lied nach Monty-Phyton-Art. Es gibt begeisternden minutenlangen Applaus, das Publikum stehend und jede/r der Schauspieler:innen bekommt noch eine eigene Nennung. Wie am Ende auch Johannes Becher, das große Multitalent, ohne jede Übertreibung.

Es ist ein toller Abend. Auf der Heimfahrt treffen wir noch den’ Hausmeister’, nun in Zivilkleidung, zusammen mit seiner kleinen Tochter. Er erzählt uns, dass die Zeit zum Einstudieren und Üben nur zwei Wochen war. Großes Kompliment, da hat man in kurzer Zeit ein tolles Event hingezaubert. Da bin ich echt begeistert von Freising. Heim nach Dachau. Mit Raluca ist das weiter sehr kurzweilig. Wir schmieden weiter viele Pläne, was für ein gelungener Ausflug! Dank an alle!

Stefan Haas, am Gründonnerstag des Jahres 2024

Bilder: Raluca Behrens