LDK – Don’t Stop Me Now

Dieses Lied von Queen ist ewig. Ein vierzehnstündiger Mitschnitt der Landesdelegiertenkonferenz der Grünen in Landshut ist auf YouTube zu finden. Ein Highlight sind Katharina Schulze und Ludwig Hartmann, die von den Grünen für ihre Wahl als Spitzenduo bei der Landtagswahl 2023 gefeiert werden. Katha springt und tanzt bei den Klängen von ‚Don’t Stop Me Now‘ durch die begeisterte Menge, sie ist eben noch jung. Als wäre sie einst in den Zaubertrank gefallen, die Frau strahlt und lacht und reißt einen mit. Ich kenne sie aber auch aus bitteren Reden im Landtag zu rechtsextremistischen Gewalttaten, an vorderster Front gegen Hass und Hetze, gegen Ungerechtigkeit. Ihre Rede ‚Entschlossen handeln gegen Antisemitismus‘ habe ich seit langem auf meinem Desktop. So klar und entschlossen kenne ich zu wenige Politiker:innen! Sie geht die Probleme unserer Welt vorbildlich an, mit Kopf und Herz im Einklang.

Katharina Schulze, von der Kamera kaum einzufangen

Vorbildlich ist aber auch das Engagement der etwa 300 Delegierten, auch das von Karin und mir. Karin hat sich bereits gute Plätze an den Tischen des Bezirks Oberbayern gesichert, als ich, vom Bahnhof kommend, am Ort der Veranstaltung, der Sparkassen-Arena, ankomme. Nach einigen Parteitagen, die online abgehalten wurden, bekomme ich dieses mal eine echte Stimmkarte. Das fühlt sich bedeutender an. Gerade mal etwas orientiert, geht es schon los. Es wird erklärt, wer welche Aufgaben wahrnimmt und es wird begrüßt und vorgestellt.

Blick auf die Delegierten

Dass wir eine vielfältige, bunte Partei sind, ist nicht nur ein Markenzeichen. Die ersten Reden von Menschen, denen man es aufgrund ihrer Eigenheiten unnötig schwer in der Gesellschaft macht, machen nachdenklich. Ich muss zugeben, dass ich immer noch zu wenig weiß. Am Ende des Tages gibt es auch Wahlen zum Diversitätsrat, Ami Lanzinger aus Erding spricht und findet beeindruckende Worte. Als Sprecher gewählt wird ein anderer, auch mit einem außergewöhnlichen Lebensweg, hat trotz Querschnittslähmung so viel erreicht. Wir haben viele verletzliche und gleichzeitig starke Menschen, die Mut machen.

Michael Sasse vom KV Rosenheim, Mitglied bei den Grünen seit 2022

In der politischen Aussprache werden auch Redebeiträge von weniger bekannten Leuten ausgelost. Aber ich merke schon, dass die von Kreisverbänden getragen sind, die so richtig aktiv sind und das ist eben nicht nur der Kreisverband München. So was wie eine politische Aussprache gibt es in Dachau nicht, trotzdem habe ich noch Hoffnung.

Etwas vor Claudia Roth spricht noch Pascal. Er ist von der Grünen Jugend München. Als einziger beschreibt er das Dilemma der aktuellen Umfragen, und auch aller Prognosen bisher in Bayern. Wollen wir wirklich mit der CSU regieren, was soll denn die Option für eine Regierungsbildung 2023 sein? Was muss denn noch passieren, dass die Wähler die Politik abstrafen, die uns weder beim Klimawandel eine Chance gibt, noch eine Energie-Unabhängigkeit, die uns ein ambitionierter Ausbau der erneuerbaren Energien bringen könnte. Meine Antwort ist leider nur ganz harte Überzeugungsarbeit von Angesicht zu Angesicht, in jedem Kuhdorf, in jedem Weiler. Vom Grünen Sofa aus wird das schwer. Als Ortsverbandsprecher Bergkirchen, ein OV der eben keine längere Vorgeschichte hat, weiß ich wovon ich rede. Zufällig die Zeit zur Kommunalwahl erwischt zu haben, mit zwei Mandaten im Gemeinderat gewählt worden zu sein, ist ein Glücksfall.

Übrigens, bei der Grünen Jugend Dachau ist Pascal nicht unbekannt. Ich glaube das ist ein gutes Zeichen!

Nach der Aussprache, der Wahl des Spitzenduos kommen noch ein Dutzend Anträge zur Abstimmung. Darunter auch einer der es dem Landesvorstand leichter macht, Anträge und Änderungsanträge zum kommenden Wahlprogramm zu bearbeiten. Ich erinnere mich an meine Anträge zum Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2021. Es war ziemlich viel Arbeit für mich, es ging mir darum Familienzusammenführung in einem konkreten Gremium für Härtefälle zu ermöglichen. Es war auch viel Arbeit für den Bundesvorstand in Berlin. Das Team dort hatte gut 3000 Anträge zu bearbeiten. Sie waren hoffnungslos überfordert. So kam es, dass ich nach etlichen für beide Seiten anstrengenden E-Mails einen Anruf aus Berlin bekam. Es war versöhnlich und wir haben einen Kompromiss erzielt.

Vor uns die Abordnung aus FFB

Diese Erfahrung bringt mich dazu gegen das Vorhaben des Landesvorstands zu stimmen, es sollen ja höhere Hürden für Anträge gesetzt werden. Das entspricht auch den Vorstellungen vieler anderer Delegierten nicht. Antrag abgelehnt, als einziger an diesem Abend.

Dass auch Toni Hofreiter spricht, kann ich in der Rückschau nur im Video sehen. Ihn sehe ich in der Schlange beim Anstehen zum Essen, weit hinter mir. Ihn sehe ich an diesen zwei Tagen öfter herumlaufen, so wie man ihn kennt, aber er ist keiner, der auf die Leute einfach so zu geht. Ganz anders unser Johannes Becher, der hat für alle ein freundliches Wort und an manches Gesicht erinnert er sich dann doch. Und überhaupt ist es so, dass ich ja auch nicht alle Bundes- oder Landtagsabgeordneten kenne. Neben mir sitzt nun eine sehr umtriebige Frau, wir kommen ins Gespräch weil sie nicht weiß, was man bei einer Wahl zu den Sprecher:innen und/oder deren Stellvertreter:innen, auf den Stimmzettel schreiben soll. Wo ich herkomme, was bei den Grünen Dachau so los ist, fragt sie. Es ist ein amüsantes Gespräch, sie erzählt über die lange Anreise vom Chiemsee. Dass ich mit der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Gisela Sengl spreche, wird erst am Sonntag beim Frühstück im Hotel klar. Mit den Grünen aus Traunstein sitzen Karin und ich in einer ganz neuen Runde. Deren Berichte aus ihrem Kreisverband kommen uns aber bekannt vor. Karin erzählt von den Bemühungen unsere Kommunikation mit gut gemachten Webseiten und Newslettern anzuregen. Man staunt über ihre Arbeit, die sie ja zusätzlich zu den Dingen macht, die man als Kreisverbandsprecherin eben so macht. Wir sind nach der Unterhaltung auf jeden Fall gut in Erinnerung. Die Gisela kann ich sicher eines Tages nach Bergkirchen holen, wenn es um ihr Thema Landwirtschaft und Ernährung gehen sollte.

In der Mitte Gabriele Bayer aus Postbauer-Heng. Sie habe ich im Sommer in Augsburg in der GRIBS DenkWerkstatt kennengelernt.

Überhaupt und das sei allen künftigen Delegierten bekannt, ein wichtiger Teil des LDK findet außerhalb der Hauptveranstaltung statt. Wer ein paar Stunden draußen bei den Rauchern steht, macht nicht unbedingt etwas falsch. Sich unterhalten, voneinander zu erzählen, neue Kontakte knüpfen ist eigentlich sogar wichtiger als bei den meisten Anträgen mitzustimmen. Draußen sprechen wir auch mit Christian Hirneis, der ja eigentlich unsere erster Ansprechpartner für Dachau aus den Landtag ist. Ich dachte gar nicht, dass der so cool ist. Auch Tessa Ganserer begegnet mir dort vor dem Eingang. Daneben die Barbara aus Maisach mit der ich mich über Kommunalpolitik an unseren Gemeindegrenzen austauschen kann.

Zwischen Samstag und Sonntag gibt es dann noch das Abendprogramm mit DJ Obergoldig. Die Klangauswahl ist so wie man sich das dem Namen nach vorstellt. Bier ist schnell aus. Karin bestellt mir eine Alternative für Dröhnung, die Leute bleiben etwas verstreut. Tapfer und im Anzug bleibt Thomas von Sarnowski bis nach Mitternacht sichtbar und ansprechbar. Unsere Helga trifft man auf der Tanzfläche. Einmal wird sogar ein Klassiker aus den 70er Jahren gespielt, das war’s dann. Es besteht keine Gefahr bis in die Morgendämmerung hängen zu bleiben.

Am Sonntag Vormittag geht es dann weiter. Andere Plätze, andere Nachbarn, bekannt vom Frühstück eben. Aha, die Grüne Jugend breitet sich viel häuslicher aus als unsereiner und vor allem droht niemand zu verhungern oder zu verdursten … man sollte sich doch mehr ein Beispiel nehmen. Ich lausche weiter brav dem Programm, klatsche auch immer wieder. Man ist eben unter Leuten, die ähnliche Erfahrungen und Vorschläge haben, es ist eine angenehme Zeit. Selbst der DGB hat seinen Platz in Meinung und Rede in unseren Reihen. Der Leitantrag dieser LDK ‚Bayer*innen entlasten‘ ist das soziale Thema in Zeiten aus dem Rahmen fallender Energiepreise.

Eigentlich will ich ja keine Selfies und Bilder mit Promis machen, ich finde es zu aufdringlich. Aber nun heißt es Omid Nouripour lädt im Eingangsbereich dazu ein. Seine Rede vorher ist gut und hat viel Bezug zu den Leuten, die ich aus den vielen Jahren der Asylhilfe kenne. Wir stellen uns an, sind gleich dran. Und dann klappt es doch nicht, seine Assistentin zerrt ihn zum Interview. Er verabschiedet sich lächelnd und vielmals entschuldigend. Er ist wirklich sympathisch.

Als letztes großes Thema werden die Finanzen besprochen. So richtig kann ich dem nicht folgen, bin auch schon müde. Es werden viele Details zur Abstimmung gebracht. Schräg vor mir sitzt die Heide aus Olching, die wir seit Anfang 2020 kennen als Robert Habeck dort einen Auftritt hatte. Sie strickt nun nicht mehr, schaut etwas ärgerlich und stimmt auch mal gegen die Mehrheit. Sie kennt sich in dem Metier gut aus, später auf der Heimfahrt erzählt sie mir etwas mehr darüber. Sie findet die Vorstellung des Schatzmeisters nicht so gut, um es nicht mit anderen Worten zu beschreiben.

München Hauptbahnhof

Mit Beendigung der LDK mache ich mich auf dem Heimweg. Im Bus zum Bahnhof stellt Heide mir noch den Volker vor, er ist Büroleiter vom Toni. Wieder einer den man anrufen kann und behaupten kann, dass man sich kennt. Kurze Wege aufzubauen ist immens wichtig. Bei Beate und Helga hat das auch gedauert, nun kommt es mir zugute, wenn denn die Kontakte irgendwo hilfreich sind. Am Bahnhof Landshut irre ich noch ein wenig mit einer Gruppe anderer Grünen herum, dabei auch die Eva Lettenbauer. Züge fahren eben nicht immer nach Plan. Irgendwie schaffe ich es nach Dachau und, an einem Sonntag anders nicht möglich, mit dem treuen Fahrrad nach Bergkirchen. Hat Freude gemacht.


Stefan Haas, 29.September 2022
als Delegierter für die LDK 2022 in Landshut

PS: Unser Mann für Kopenhagen, nein nicht zum Song-Contest, sondern zum EGP-Kongress: Dardan Kolic (KV München)

Und sehr wichtig, die Beschlüsse selbst:
www.gruene-bayern.de/kategorie/beschluesse/