Ausgang der EU-Wahl und was Menschenrechte damit zu tun haben

An dieser Stelle könnte ich auch eine Glosse schreiben oder einen satirischen Rückblick, selbstvernichtende Reflektion oder gar völlige Realitätsverweigerung. Ich probiere mal eine Mischung, es sind sicher auch wieder tagesaktuelle Dinge mit drin. Die Welt dreht sich ja weiter. Außerdem ist gerade Fußball-EM in Deutschland, da kommt man mit dem Schreiben einfach nicht nach.

Mein Eindruck am Wahlabend bei der Auszählung der Briefwahlstimmen war gar nicht so schlecht. Diesmal hatte ich das Glück das Wahllokal mit dem besserem Anteil an Grünen Stimmen zu bekommen. In der Nacht waren die Zahlen dann auch konkret verfügbar. Leider ist es nicht so einfach, wie man es sich Tage später gemacht hat, sich für den zweiten Platz im Landkreis zu loben oder einige Ergebnis knapp über 10% hervorzuheben. In der Gemeinde Bergkirchen haben wir auf niedrigem Niveau 40% der Stimmen im Vergleich zu 2019 verloren. Genauso in Pfaffenhofen/Glonn. In Schwabhausen, wo es keinen Ortsverband gibt, war der Verlust knapp 37%. Im Schnitt war das im Landkreis Dachau so, und auch in den angrenzenden Landkreisen. In Petershausen waren die Verluste nur bei 29%, manche halten das für ein super Ergebnis. In München waren die Verluste eher bei 25%.

Die Aufarbeitung der Ergebnisse wird so ablaufen wie zur Landtagswahl, in Dachau nämlich gar nicht. Wobei das vermutlich auch so konsequent ist. Es kommen nun ein paar Webinar-Angebote mit Omid Nouripour und Ricarda Lang. Es könnte auch sein, dass mir die Veranstaltungen der bayrischen Grünen entgangen sind. So wie auch der Besuch der Landesvorsitzenden Gisela Sengl vor einigen Tagen in Bergkirchen. Ich neige dazu so etwas zu verarbeiten, indem ich manches nicht mehr ernst nehme. Mich selbst, aber auch so manche anderen.

Keinen Vorwurf mache ich meinen Mitgliedern des Ortsverbands Bergkirchen. Warum hätten wir große Motivation haben sollen, uns in den Wahlkampf zu stürzen. Es geht uns wie den eher unpolitischen Wählern. Von der Europapolitik bekommt man wenig mit, man braucht viel Zeit um die Zusammenhänge halbwegs zu verstehen. Das bedeutet man fällt auf die Ebene Bundespolitik zurück und da hat man fast genau die Zahlen bekommen, die zu Umfragen im Bund aktuell sind. Dagegen anzukämpfen war vielleicht ehrenhaft, aber ohne Auswirkung. Geholfen hätte ein engagierter Haustürwahlkampf. 50 Stimmen mehr und wir hätten in der Statistik geglänzt. Nicht geholfen hat die Ansprache per Erstwählerbriefe oder mit Wählerbriefen mit Botschaften direkt aus Bergkirchen. Plakate in Variationen haben auch niemanden hinter dem Ofen hervorgelockt. Es war auch egal, dass der Leim ab einer gewissen Wetterlage sich gelöst hat. Diesen Effekt hatten alle Parteien mit geklebten Plakaten. Auch diejenigen die erst drei Wochen später plakatiert hatten, also die CSU. Die waren auch nicht motiviert. Allerdings haben sie davon profitiert, dass sie im Bund nicht an der Regierung sind und immer noch als europäische und auch demokratische Partei gelten. In Bergkirchen haben wir weiter gute Konkurrenz von den Freien Wählern. Am Wahlergebnis konnten wir kaum was beeinflussen. Immerhin ist nun klar, was nicht wirkt. Vielleicht können wir demnächst erfolgreichere Strategien über die sozialen Medien übernehmen.

In Europa hat sich an den Verhältnissen gar nicht so viel geändert. Neben der Verlusten der echt grünen Parteien, gibt es Gewinne von Parteien mit sehr ähnlichen Wahlzielen. Aus Deutschland etwa Volt. Gerade bei den jüngeren Wähler relativieren sich dadurch die Schrecken eines Rechtsrucks auch in dieser Wählerschicht. Für mich selbst ändert sich auch wenig, die Abgeordneten, die mich beeinflussen, sind weiter mit dabei. Das sind Erik Marquardt und Anna Cavazzini. Großes Gewicht haben weiter die nationalen Wahlen, wie die nun in Frankreich. Ganz abgesehen von der Wahl Ende des Jahres in den USA.

Damit wäre die EU-Wahl eigentlich verarbeitet …

Nun fühlen sich aber gewisse Parteien in Deutschland dem Rechtsruck verpflichtet. Einige Ministerpräsidenten der Union, etwa Söder, Rhein und Kretschmer vertreten für mich längst rechtsradikale, untragbare Positionen. Man fordert die Bundesregierung auf, neue Wege in der Abschiebe- und Asylpolitik zu gehen. Mit der Wahrheit und den realen Möglichkeiten nimmt man es dabei nicht so genau. Wie gehabt. Dabei fordert man ungeniert den Bruch von Menschenrechten, hanebüchenen Abkommen mit Ländern wie Ruanda oder Albanien. Blanker Populismus, wie ihn sich die AfD nicht besser ausdenken könnte. Für mich sind hiermit die Bekundungen sich nicht weiter unter Demokraten spalten zu lassen, hinfällig. Die Hetze geht nach kurzem Innehalten einfach weiter. Anscheinend möchte man den Anschluss an Länder wie Griechenland und Bulgarien nicht verlieren, die Geflüchtete internieren, foltern und ermorden. Das denke ich mir hier nicht aus, teils weiß ich das aus persönlichen und glaubhaften Berichten. Darüber, dass griechische Einsatzkräfte Menschen ins Mittelmeer werfen, um sie zur Abschreckung ertrinken zu lassen, berichtet diese Tage auch die ‚Zeit‘. Es ist klar, welche Partei man damit stärkt.

Betretendes Schweigen oder einfach nur Schweigen?

Menschenrechte immer weiter abzubauen, zu fordern aus der Genfer Flüchtlingskonvention auszutreten, führt uns in Gesellschaften, wie sie vor dem zweiten Weltkrieg in Europa vorherrschten. Ohne Mitgefühl, mit blindem nationalistischen und rassistischem Hass, Gewalt und Willkür gegen alle ‚anderen‘. Dabei braucht es genau das Gegenteil, um sich den Gewaltregimen dieser Welt entgegenzustellen.

Doch Putin und Co. gelingt es sehr gut uns an ihre Werte anzunähern. Es würde Mut und Entschlossenheit kosten, das zu stoppen. Leider sehe ich bei den Ministerpräsidenten, welche die Verantwortung von Asylverfahren selbst ins Ausland abschieben wollen, nur schwache Charaktere. Leute, die ihr Fähnchen in den Wind hängen oder solche, die sich den brüllenden Putinverehrern anbiedern. Ukrainische Kriegsflüchtlinge nach Irgendwo zu deportieren, wäre in deren Sinne. Momentan tun führende Politiker der Union alles, um sich diesen Vorstellungen zu nähern. Siehe aktuelle Forderungen auch den ukrainischen Menschen das Leben in Deutschland schwerer zu machen. Sie und andere behaupten auch die Kriege wie in Syrien wären nun beendet.

Diejenigen, die uns Grundgesetz und Menschenrechte nach dem letzten Weltkrieg ermöglicht haben, würden sich im Grab umdrehen. Aber vielleicht sehe ich das nur ich so, es gibt sicher ganz viele Ausreden, diese Forderungen nach einer Entrechtung der Schwächsten gut zu heißen. Wir kommen nun auf eine Ebene bei der Mitgefühl keine Rolle mehr spielt.

‚Klappe zu, Affe tot.‘

Diese Redewendung stammt eigentlich aus dem Zirkusgewerbe. Affen waren früher dort eine der Hauptattraktionen und lockten viele Zirkusschaulustige in die Vorstellungen. Im Kassenhäuschen zeigte man ein kleines Äffchen, dass in einer Holzkiste sass. War die Klappe geschlossen, war der Affe verstorben.
Hauptattraktionen der Demokratie sind die Rechte eines jeden Menschen zu bewahren und den Rassisten nicht das Feld zu überlassen.

„Diese Stille und alles hinnehmen, nichts hinterfragen, wird uns allen noch die Freiheit kosten.“
Raluca Behrens, Karlsfeld


Stefan Haas als Sprecher der Grünen Bergkirchen im Juni 2024